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Mit Spaß und Freude lernen: Ein Grundschulprojekt in Thailand

29.04.20 03:44 AM By r.wagner

Mit Spaß und Freude lernen: Ein Grundschulprojekt in Thailand

Von Jülide Oehlhof

Der Beruf Lehrer/in ist ein sehr wichtiger in unserer Gesellschaft, denn ohne ihn hätten wir nicht den Bildungsstandard von heute. Weil mir die Bildung der Kinder und Jugendlichen sehr am Herzen liegt, habe ich mich für ihn entschieden. An der Universität Heidelberg studiere ich Gymnasiallehramt, meine Fächer sind Germanistik und Philosophie. Ein Praktikum im Ausland hat mich sehr gelockt, weil ich ein anderes Bildungssystem und eine andere Kultur kennenlernen wollte. Eben ein System, das nicht so gut ausgebaut ist wie unseres und wo Bildung noch nicht in allen Dörfern angekommen ist so wie in den Städten. Das Projekt Volunt2Thai unterstützt speziell Kinder in den ländlichen Regionen Thailands, damit diese eine Zukunft haben. Denn erst mit der Möglichkeit, zur Schule zu gehen, können sie auf eine bessere Zukunft hoffen.

In der Primary School von Ban Nong Kung habe ich mit anderen internationalen Freiwilligen des Volunt2Thai-Projekts unterrichtet. Eine ausführliche Einführung meiner Aufgabe gab es am Anfang nicht. Ich sollte mit in die Schule gehen und im Unterricht helfen. Die anderen Freiwilligen, die schon da waren, haben mir von der Schule erzählt und dass sie an einem Tag eine Stunde in jeweils zwei Klassen halten. Ich musste von Beginn an einfach improvisieren und mich darum bemühen, dass die Kinder Spaß im Unterricht haben und Hilfe bekommen, wenn sie sie benötigen. Unsere Aufgabe war also, die Stunde in dem Sinne vorzubereiten. Dafür saßen wir mittags zusammen und überlegten, welche Übungen und Spiele wir mit den Kindern machen können. Der Vorbereitung waren keine Grenzen gesetzt, weil wir jedes Fach unterrichten durften. Hauptsache wir unterstützen die Schule. Sie ist nämlich auf die Unterstützung der Freiwilligen angewiesen, weil es nur 5 Lehrer/innen für 6 Klassen gibt. Hauptsächlich lernten wir mit den Kindern Englisch. In der zweiten Woche führten wir ein Kunstprojekt in jeder Klasse durch: Die Aufgabe war Flaggen zu malen. Dadurch sollten die Schüler/innen die Länder der Welt kennenlernen. Durch freiwillige Helfer und Helferinnen bekommen die Kinder Kontakt zu anderen Nationalitäten und erweitern so ihren Blick. Deswegen war die Malstunde eine schöne Ergänzung dazu.

In den Klassen 1-3 wandten wir spielerisches Lernen an, d.h. wir haben Spiele auf Englisch gespielt, wo die Kinder beispielsweise die Zahlen sagen mussten. Wichtig war es uns, dass sie mit Spaß und Begeisterung lernen. In den Klassen 4-6 hingegen haben wir einen stärkeren Fokus auf Inhalte gesetzt. Wir haben Fragen über Berufe, Lieblingsfarben und -tiere gestellt. Um die Kinder auch hier möglichst aktiv einzubinden, haben wir die Aufgaben nicht nur an die Tafel geschrieben, sondern wiederum spielerische Elemente eingesetzt. So warfen wir z.B. einem Kind einen Ball zu, welches dann die Frage, die es vorher bearbeitet hatte, mündlich beantworten sollte. Wir legten Wert darauf, dass das Lernen Freude bereitet und dass in den älteren Klassen sowohl Mündlich- als auch Schriftlichkeit im Englischen geübt werden. Die ersten zwei Klassen waren sehr groß mit ca. 20 Kindern, die Klassen der Älteren waren kleiner mit ca. 15 Kindern in Klasse 4 und nur 7-10 Kindern in Klasse 5 und 6.

Die größte didaktische Herausforderung war die zeitliche Strukturierung der Stunden. Aufgrund der Schwierigkeit, die Situation in den Klassen im Vorfeld einzuschätzen, war eine solche Strukturierung praktisch nicht möglich. Wir konnten nie genau wissen, wie gut die Schülerinnen und Schüler mitarbeiten und wie viel sie verstehen würden. Das lag daran, dass wir nur maximal 2 Mal in einer Woche in einer Klasse waren. Gerade die Jüngeren konnten noch kein Englisch und die Englischlehrerin der Schule, die uns in diesen Klassen zu Beginn der Stunde unterstützte, übersetzte meist nur den Arbeitsauftrag oder erklärte das Spiel, um danach wieder in ihre eigene Klasse zu gehen.

Wenn wir als Team in einer Klasse waren, hat die Person, die ein sicheres Auftreten hat, die Aufgabe formuliert und an die Tafel geschrieben. Die anderen sind zu einzelnen Schülern und Schülerinnen gegangen, um Hilfe zu geben. Das war sehr wertvoll, denn manche Kinder haben sehr viel Hilfe benötigt. So konnten wir uns Einzelnen zuwenden und sie tatkräftig unterstützen. Die Hilfestellung war perfekt, wenn wir mit mehreren Freiwilligen in einer Klasse waren und wir ein neues Thema eingeführt haben. Allerdings haben sich auch manche Kinder von diesem Betreuungsverhältnis ablenken lassen und wollten die Aufmerksamkeit der einzelnen Freiwilligen, was zu etwas mehr Unruhe geführt hat.

Eine Stunde hielt ich alleine. Ich stellte zuerst die Fragen, wie vorbereitet. Die 5. Klasse war sehr flott, was ich bei der Vorbereitung nicht erwartet hatte, weil Klasse 6 zuvor mehr Schwierigkeiten mit ähnlichen Aufgaben gehabt hatte. Während der Beantwortung der Fragen, ging ich herum und gab den Schülerinnen und Schülern Hilfestellung. Als wir dann mit der Bearbeitung fertig waren, war ich zunächst ratlos, wie ich weitermachen sollte. Also musste ich improvisieren, weil ich Angst hatte, dass die Klasse anfangen könnte, sich zu langweilen und dann laut zu werden. Wir setzten uns in einen Kreis, um alles mündlich durchzugehen. Das war eine sehr gute Übung, weil die Kinder Probleme mit der Aussprache hatten. Ihre Aufmerksamkeit gewann ich dadurch, dass wir uns den Ball zuwarfen und jede/r immer drankommen konnte. Insgesamt ist mir die Stunde sehr gut gelungen und ich bin froh, dass ich Ruhe bewahrt habe und direkt eine Idee hatte, wie ich die Stunde weiterführen konnte. Die Kinder waren gut beschäftigt, denn der Übergang von den Arbeitsschritten hat funktioniert.

Es ist eine wertvolle Erfahrung und eine Herausforderung, zu unterrichten und zu versuchen, alle Punkte mit einzuberechnen: Sprache, Kultur, Lernen (nicht nur Spielen), unser eigenes Verhalten und das der Schüler/innen untereinander sowie darauf zu achten, dass die Schüler und Schülerinnen zuhören, aufpassen und verstehen. Die Unterrichtsvorbereitung fiel uns allen leicht, auch wenn wir manchmal etwas länger an einer Idee gearbeitet haben. An sich war es eine gute Erfahrung, mit anderen, die keinen Lehrberuf anstreben, den Unterricht zu gestalten und in die Tat umzusetzen. Ich habe hier gelernt, im Team zu arbeiten und alle Anwesenden gleich wertzuschätzen. Das ist für meinen späteren Beruf, wie ich finde, eine unverzichtbare Eigenschaft, die wir alle beherrschen sollten. Zudem habe ich mich mit Ideen einbringen können, die ich in meiner bisherigen Ausbildung gelernt habe: Die Arbeit der Kinder wertschätzen, indem man ihre gemalten Bilder, in diesem Fall die Flaggen, an die Wand hängt; einen Arbeitsauftrag formulieren, der als Puffer (falls die Stunde zu früh endet) verwendet werden kann; und ich habe versucht, alle Kinder mit einzubeziehen und sie zu Wort kommen zu lassen. Ich habe als Lehrerin so gehandelt, dass mir die Kinder Respekt entgegenbrachten, und ich gleichzeitig ein freundschaftliches Verhältnis zu ihnen hatte. Des Weiteren habe ich den anderen das Zeitmanagement einer Stunde erklärt, was wir leider nicht umsetzen konnten, weil der Zeitaufwand einzelner Einheiten unter den gegebenen Bedingungen zu schwer einzuschätzen war.

Offenheit, Spontanität (wenn sie gefragt ist), Kreativität und Freude am Unterrichten nehme ich für mich selbst aus dem Praktikum mit. Mir hat es sehr gefallen, vor allem habe ich mich getraut, zu unterrichten und auch zu improvisieren. Ich möchte gerne nochmal ein Praktikum im Ausland machen, in einem Land, das nicht so viel in Bildung investiert wie Deutschland und in dem es genau deswegen wichtig ist, die Entwicklung der Bildung zu unterstützen, damit mehr Kinder einen Zugang zur Bildung ermöglicht bekommen.

Jülide Oehlhof
Universität Heidelberg

https://hse.hypotheses.org/2538?fbclid=IwAR2JcuADqj7u1sPbkIgWVzbS7eguI1jiz9fvkSM8pXI2e2BwH338DURs8Yc

r.wagner